34 | Medizin Helferinnen der Geburt Die Hebamme Louise Bourgeois war eine Wegbereiterin. In ihrem 1609 veröffentlichten Buch über die Geburtshilfe schilderte die Französin ihre Beobachtungen und gab Empfehlungen für Fruchtbarkeit, Schwangerschaft, Geburt und die Gesundheit von Mutter und Neugeborenem. Ihre Schilderungen basierten auf ihren eigenen Erfahrungen und Beobachtungen. Kräuter gegen die „kalte“ Gebärmutter So empfahl die Hebamme etwa Frauen, die Schwierigkeiten hatten, schwanger zu werden, Fenchelsamen und Weinraute. Louise Bourgeois glaubte, dass diese Pflanzen die „Kälte“ in der Gebärmutter vertreiben und so die Fruchtbarkeit fördern. Litt eine Frau nach der Geburt unter Kindbettfieber, bat die Hebamme sie zum Aderlass, denn die damalige humorale Medizin ging davon aus, dass Krankheiten in einem Ungleichgewicht der Säfte Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle begründet sind. Der Aderlass sollte das Gleichgewicht wiederherstellen. Heute weiß die Medizin, dass mangelnde Hygiene und dadurch ausgelöste bakterielle Infektionen schuld an besagtem Fieber waren. Um die Erkrankung zu bekämpfen, braucht es Antibiotika – eine Medikamentengruppe, die im 17. Jahrhundert noch unbekannt war. Ein deutsches Pendant zu Louise Bourgeois war Justine Siegemund. So wie die Französin setzte auch sie sich für die Professionalisierung ihres Berufs ein. Am königlichen Hof und in der Ärzteschaft vertraute man den beiden Frauen gleichermaßen. Unter anderem die „doppelten Handgriffe“, mit denen die Geburtshelferinnen die Lage des Kindes im Mutterleib ertasten und korrigieren konnten, werden – in angepasster Form – noch heute angewandt. MEDIZIN GESTERN UND HEUTE Von Erfahrungswissen und manuellen Techniken hin zur ganzheitlichen Betreuung auf wissenschaftlicher Basis: Hebammen im Wandel der Zeit. VON FRANZISKA MÄNNEL Holzschnitt einer Hebamme, die bei der Geburt assistiert Frauen mit viel Verantwortung War kein Arzt zur Stelle, durfte eine Hebamme im 16. und 17. Jahrhundert in besonderen Fällen selbst einen Kaiserschnitt vornehmen, um das Leben von Kind und Mutter zu retten. Der wachsende Einfluss der Medizin in den kommenden Jahrhunderten sorgte nicht nur für geringere Sterblichkeitsraten bei Frau und Kind, sondern auch dafür, dass die Geburtshilfe auch für männliche Ärzte interessanter wurde. Durch die Akademisierung des Hebammenberufs wird die wichtige Rolle der Geburtshelferinnen heute wieder mehr betont. Hebammen und Ärzteschaft engagieren sich gemeinsam zum Wohle der Frauen und ihrer Neugeborenen.
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