Gesundheit erlangen - Sommer 2023

Wieder fit Dank Organspende zurück im Leben Saubere Sache Ein Tag in der Sterilgutaufbereitung Psychoonkologie Hilfe für Angehörige von Krebspatienten ■ Orthopädie für Kinder und Jugendliche ■ Betreuung von Hobby- und Profisportlern ■ vom minimalinvasiven Eingriff bis zur Hüftprothese Hilfe für die Hüfte Das kostenlose Magazin des Uniklinikums Erlangen | www.gesundheit-erlangen.com | Sommer 2023 Teil 2 unserer Sportserie: KRAFT

Starten Sie Ihre Karriere bei uns! Mit über 9.500 Beschäftigten sind wir einer der größten Arbeitgeber Mittelfrankens und wachsen kontinuierlich weiter. Finden auch Sie bei uns den perfekten Job, der für Sie und andere Sinn ergibt! www.karriere.uk-erlangen.de

| 3 Das größte Kugelgelenk des Menschen – die Hüfte – ist der Dreh- und Angelpunkt des Körpers. Wann haben Sie diesen Bereich zuletzt bewusst wahrgenommen? Vielleicht, als Sie versucht haben, sich in den Schneidersitz zu setzen und Ihre Knie dabei ziemlich weit oben blieben? Vielleicht, als Ihnen Ihre Physiotherapeutin sagte, Sie sollen Ihren verkürzten Hüftbeuger dehnen, um Ihre Rückenschmerzen zu lindern? Das Zusammenspiel von Gelenken, Muskeln, Bändern und Sehnen rund um die Hüfte ist komplex – entsprechend wichtig ist eine gute Diagnostik bei Beschwerden. In der Unfallchirurgischen und Orthopädischen Klinik des Uniklinikums Erlangen beginnt diese schon im Säuglingsalter – bereits in den ersten Lebenswochen wird die Hüfte per Ultraschall untersucht. Was Eltern tun sollten, wenn ihr Kind ein fehlgebildetes Hüftgelenk hat, und welche anderen Beckenprobleme bei Heranwachsenden vorkommen, erklären wir im Artikel auf S. 8. Bei ExFürth-Spieler Mergim Mavraj wurde die Diagnose Hüftdysplasie erst im Jugendalter gestellt, als er schon auf Profiniveau Fußball spielte. Wie ihm die Ärztinnen und Ärzte der Erlanger Unfallchirurgie-Orthopädie halfen, Schmerzen loszuwerden und fit zu bleiben, lesen Sie auf S. 12. So wie bei Mergim Mavraj bessern sich Hüftbeschwerden bei vielen Patientinnen und Patienten durch eine konservative, nicht-operative Therapie. Sollte doch ein Eingriff nötig sein, genügt oft eine Arthroskopie: Dabei wird das Hüftgelenk durch kleine Schnitte hindurch mit einer Mini-Kamera inspiziert; eventuell nötige Korrekturen an Knochen und Gewebe können dabei gleich mit vorgenommen werden (S. 14). Ist das Hüftgelenk bereits stark abgenutzt, kommen Betroffene aber manchmal um ein künstliches Gelenk nicht herum. Auch bei dieser Operation sind sie am Uniklinikum Erlangen gut aufgehoben, wie die Geschichte einer 64-jährigen Patientin zeigt: Nach langer Leidensgeschichte erhielt sie in Erlangen eine eigens für sie hergestellte Hüftprothese (S. 16). Wenn Sie das nächste Mal die Treppe nehmen, bleiben Sie doch auf einer Stufe mal kurz stehen. Drehen Sie sich parallel zur Treppe, stellen Sie ein Bein auf und schwingen Sie das andere ausgestreckt neben der Stufe mehrmals von vorn nach hinten durch. Eine Minute pro Seite – ganz locker aus der Hüfte. Locker aus der Hüfte Editorial KI-Redaktion der Zukunft? Glauben Sie, dass künstliche Intelligenz irgendwann unsere Arbeit übernimmt? Kommt „Gesundheit erlangen“ eines Tages aus der Feder von ChatGPT? Wir haben ein paar Tests gemacht – mit interessanten Ergebnissen (S. 33). Chefredakteurin von „Gesundheit erlangen“

4 | Themen dieser Ausgabe ES LÄUFT WIEDER! Michael Heiden bekam gleich zwei Spenderorgane: eine neue Bauchspeicheldrüse und eine neue Niere. Dank ihnen ist er endlich wieder aktiv. DREH- UND ANGELPUNKT Vom Kleinkind bis zum Top-Athleten: In der Unfallchirurgie-Orthopädie des Uniklinikums Erlangen sind Hüftgelenke in guten Händen. 3 Editorial NEUES AUS DEM UNIKLINIKUM 6 Uniklinikum Erlangen unter Top-Kliniken Hilfe bei hartnäckigem Bluthochdruck 7 Bunte Katze im Treppenhaus Schwere Zeiten im Wunderwald TITEL 8 Wenn die Hüfte die Fassung verliert Orthopädie für Kinder und Jugendliche 12 Bis es wieder rundläuft Betreuung von Hobby- und Profisportlern 14 Der Blick ins Gelenk Minimalinvasive Hüftarthroskopie 16 Hüfte hoch drei Von der Hüftprothese bis zur Revision REPORTAGE 20 Saubere Sache Ein Besuch in der zentralen Aufbereitungs- einheit für Medizinprodukte MEDIZIN UND MEHR 26 Sprechstunde Hilfe bei Insektengiftallergie 30 Medien Podcasts und Apps für Entdecker/-innen 32 Mittel der Wahl Minze 33 Kleine Sp(r)itze – Kolumne Experimente mit ChatGPT MENSCHEN 34 Meine Geschichte Michael Heidens Leben nach der Organspende 38 Was macht eigentlich... ... ein Metallbauer am Uniklinikum Erlangen? 34 8–19

| 5 Themen dieser Ausgabe Video Weiterführende Informationen Kontaktaufnahme Persönlicher Kontakt zur Redaktion MENSCHEN 42 Zwei Seiten von Kinderkardiologin PD Dr. Dr. Isabelle Schöffl 44 Meine Gesundheit Anästhesiologe Prof. Dr. Roland C. E. Francis ERNÄHRUNG 46 Einfach mal blaumachen! Süßes und Herzhaftes aus Heidelbeeren 48 Chips sind unser Gemüse! Knusprige Gemüsecracker – selbst gemacht KOPFSACHE 50 „Nichts tun können ist schwer“ Hilfe für Angehörige von Krebspatienten ERFORSCHT UND ENTDECKT 41 Mit der Bürgerbühne durch die Pflegelandschaft 45 Neuer Podcast „Krebsforschung im Gespräch“ 55 Speiseröhren-OP: endlich wieder normal essen AKTIV LEBEN 56 BIG-5-Work-out Übungen für mehr Kraft ZUM SCHLUSS 60 Da blüht uns was! 61 Rätsel | Gewinnspiel 62 Vorschau | Impressum BIG 5 FÜR MEHR KRAFT Teil 2 unserer Sportserie: 15 Übungen für den Muskelaufbau, entwickelt von Sportmediziner Prof. Dr. Dejan Reljic. SAUBERE SACHE Die Redaktion blickt hinter die Kulissen der Sterilgutaufbereitung: Nur dank eines aufwendigen Prozesses kann im OP stets mit sauberen Instrumenten gearbeitet werden. 20 56 Teil 2 unserer Sportserie

6 | Neues aus dem Uniklinikum Verödung von Nierennerven ist am Uniklinikum Erlangen jetzt Kassenleistung 2023 im weltweiten Ranking noch um fünf Plätze verbessert Manchmal lässt sich Bluthochdruck nicht ausreichend gut mit Medikamenten senken. Eine Therapiealternative ist die Verödung der Nierennerven – die Renale Denervation (RDN). Hierbei werden die entsprechenden Nervenstränge mit ultraschall- oder stromerzeugter Wärme verödet. Die Medizinische Klinik 4 – Nephrologie und Hypertensiologie des Uniklinikums Erlangen bietet die RDN jetzt als Regelleistung der gesetzlichen Krankenversicherung an. Die Therapie ist damit auch außerhalb von Studien möglich. Sie senkt den Blutdruck im Mittel um 14,8 mmHg; die Menge an blutdrucksenkenden Tabletten kann reduziert werden. Kürzlich wurde das Uniklinikum Erlangen als eine der ersten Einrichtungen bundesweit als Zentrum für Renale Denervation zertifiziert. Voraussetzung für die Behandlung: unkontrollierbarer, therapieresistenter Blut- hochdruck (über 140/90 mmHg trotz korrekter Einnahme von mindestens drei Blutdruckmedikamenten) oder mehrere Medikamentenunverträglichkeiten. In den vergangenen drei Pandemiejahren mussten sich Krankenhäuser und deren Personal permanent und schnell an immer wieder neue Umstände anpassen und zahllose He- rausforderungen meistern. Das Uniklinikum Erlangen bewies dabei Konstanz: Auch 2023 gehört es weiter zu den Top-100-Kliniken weltweit. Dabei hat sich das Uniklinikum ErHilfe bei hartnäckigem Bluthochdruck Uniklinikum Erlangen unter Top-Kliniken Klinische Forschungsstation CRC der Medizin 4 Telefon: 09131 85-42951 E-Mail: crc.m4@uk-erlangen.de langen in diesem Jahr, verglichen mit 2022, sogar noch um fünf Plätze verbessert (von Rang 99 auf Rang 94). Das geht aus dem fünften globalen Ranking „World’s Best Hospitals 2023“ des US-amerikanischen Nachrichtenmagazins „Newsweek“ und des Statistikportals „Statista“ hervor. Aus 2.300 Kliniken in 28 Staaten, die jeweils zu den 250 Top-Kliniken des jeweiligen Landes gehören, wurden die weltweit besten Krankenhäuser ausgewählt. In die Bewertung fließen jedes Jahr sowohl Empfehlungen medizinischer Expertinnen und Experten sowie Umfragen zur Patientenzufriedenheit ein als auch Leistungskennzahlen zur Patientensicherheit, zu Hygienemaßnahmen und zur Behandlungsqualität. Der Blutdruck von Patient Markus Stöckel beträgt dank RDN heute 135/90 mmHg; gestartet war er mit 270/160 mmHg.

| 7 Neues aus dem Uniklinikum „Ärztliche Kunst allein vermag nicht alles“, zitierte der Direktor der Kinder- und Jugendklinik des Uniklinikums Erlangen, Prof. Dr. Joachim Wölfle, den griechischen Arzt Hippokrates. „Eure Kunst wird unsere Patientinnen und Patienten von ihrer Krankheit ablenken und kann damit auch zu ihrer Genesung beitragen“, so Prof. Wölfle weiter. Damit dankte er den 15 Zwölftklässlerinnen des Christian-Ernst-Gymnasiums Erlangen (CEG), die seine Klinik mit selbst gemalten Acrylbildern beschenkt hatten. Die leuchtenden Köpfe von Katze, Eule und Elefant begegnen einem fortan im Treppenhaus; im Erdgeschoss zieren Gemälde von Städten und von niedlichen Tieren die Wände. Von 15. Juni bis 11. Juli 2023 wandert die Ausstellung in die Stadtbibliothek Erlangen (Marktplatz 1). Im dortigen Innenhof findet am 15. Juni um 19.00 Uhr eine öffentliche Vernissage statt. CEG-Schülerinnen stellen Bilder in Kinderklinik und Stadtbibliothek aus Bunte Katze im Treppenhaus Schülerin Helen Schneider vor ihrem Bild in der Kinderklinik. Wie auch die anderen Werke enstand es im Kurs „Schule – Kunst – Gesellschaft“ am CEG. Neues Kinderfachbuch für Geschwister von schwer kranken Kindern Wenn ein Kind schwer erkrankt oder eine Behinderung hat, treten Geschwister oft in den Hintergrund. Um sich deren Gefühlen und Bedürfnissen anzunehmen, schrieb und illustrierte Sozialpädagogin Leonie Baltruweit, Mitarbeiterin der Elterninitiative krebskranker Kinder Erlangen e. V. und bis 2022 langjährige Mitarbeiterin des Psychologischen Dienstes der Kinder- und Jugendklinik des Uniklinikums Erlangen, das Kinderfachbuch „Schwere Zeiten im Wunderwald“. Es erzählt die Geschichte des kleinen Rehmädchens Millie, das im Wunderwald unerwartet zusammenbricht. Die anderen Tierkinder machen sich deshalb große Sorgen und Vorwürfe – doch zum Glück steht ihnen die weise Frau Schildkröte zur Seite, die ihnen dabei hilft, mit ihren Emotionen umzugehen. Am Ende jedes Kapitels stellt die Erzählerin, Waldeule Hildegard, Fragen an Schwere Zeiten im Wunderwald die kleinen Leserinnen und Leser, um einen Dialog anzuregen. In einem Fachteil für Erwachsene wird außerdem erläutert, welche Bedürfnisse die Geschwister von schwer kranken Kindern haben und wie sie beachtet und gestärkt werden können. Betroffenen Geschwistern soll das Buch dabei helfen, ihre Gedanken und Gefühle zu erkennen und einzuordnen. „Schwere Zei- ten im Wunderwald“ (ISBN: 978-3-86321-62 9-0) ist kürzlich im Mabuse-Verlag erschienen und ab sofort im Buchhandel zum Preis von 24 Euro erhältlich. Das Buch wurde mit den Geschwistern schwer kranker Kinder evaluiert; sie durften auch das Ende mitbestimmen.

8 | Titel KINDERORTHOPÄDIE Egal, ob direkt nach der Geburt oder mitten im pubertären Wachstumsschub: Wenn Kinder Hüftprobleme haben, sollten diese genau abgeklärt werden. So lassen sich spätere Skelettfehlstellungen verhindern. VON FRANZISKA MÄNNEL Wenn die Hüfte die Fassung verliert Dr. Albert Fujak demonstriert die Hüftsonogra e an einer Puppe. Babys sind bei der Untersuchung natürlich unbekleidet.

| 9 Titel „Es reicht nicht, ein MRT zu machen“, betont PD Dr. Albert Fujak gleich zu Beginn. „Ich muss mir das Kind von Kopf bis Fuß genau ansehen und es untersuchen. Das heißt: Wenn die Hüfte zwickt, schaue ich mir auch die Füße an, den Gang und die Beinachsen, die Wirbelsäule und natürlich die Hüftgelenke“, erklärt der Oberarzt, der in der Unfallchirurgischen und Orthopädischen Klinik des Uniklinikums Erlangen die Bereiche Kinderorthopädie und Neuroorthopädie leitet. Im letztgenannten Fachgebiet betreut er Kinder und Jugendliche mit neurologischen bzw. neuromuskulären Grunderkrankungen, das heißt mit angeborenen Störungen der Muskeln und des Nervensystems. „Ich behandle die Kinder von klein auf und sozusagen bis zum Rentenalter“, so Dr. Fujak. Die Hüfte reifen lassen Wenn ein Säugling vier bis fünf Wochen alt ist, wird seine Hüfte das erste Mal untersucht – per Ultraschall im Rahmen der U3-Untersuchung; bei familiärer Vorbelastung oder wenn das Baby in Steißlage geboren wurde, schon in den ersten zehn Lebenstagen. „Mit dieser Sonografie prüfen wir, ob es eine angeborene Hüftdysplasie gibt. Dabei ist die Hüftpfanne unterentwickelt, sodass der Hüftkopf darin keinen guten Halt findet oder sogar ganz herausrutscht“, erläutert Albert Fujak. Ist das der Fall, folgt eine Prozedur, die für die Eltern meist herausfordernder ist als für das Kind: Ein bis sechs Monate lang muss das Baby eine Orthese tragen – 24 Stunden täglich, meist eine Tübinger Schiene (s. Bild auf S. 10) oder eine Pavlik-Bandage. Damit wird das Hüftgelenk um 90 Grad gebeugt und um 55 bis 60 Grad abgespreizt. „Es ist wichtig, dass die Orthese durchgehend getragen wird. Die beiden Gelenkpartner müssen ständig in Kontakt sein, damit die Hüfte den Impuls bekommt, nachzureifen und in die richtige Form zu wachsen“, erklärt Albert Fujak. Ist das Gelenk bereits teilweise oder ganz ausgekugelt, wird es wieder eingestellt und dann ein Fettweisgips um Becken und Beine angelegt. „Das Baby hat bei all diesen Varianten keine Schmerzen, und wenn es anfängt, zu krabbeln, sich hinzusetzen oder zu laufen, sind wir mit der Behandlung schon fertig.“ Bei Kindern können sich Hüftbeschwerden u. a. durch Schmerzen an der Vorderseite des Oberschenkels und in der Leiste äußern. „Oft werden ihre Hüftprobleme aber auch ins Knie beziehungsweise ins Bein projiziert“, gibt Dr. Fujak zu bedenken. Die Kinder humpeln dann oder wollen gar nicht mehr laufen. Bei den genannten Beschwerden kann es sich um einen harmlosen „Hüftschnupfen“ handeln. „Das ist eine nicht-bakterielle Entzündung der Hüfte. Ihr geht oft ein Infekt voraus, zum Beispiel im Verdauungstrakt oder in den Atemwegen. Als Reaktion darauf entzündet sich die Gelenkinnenhaut. Sie schwillt an und produziert Flüssigkeit, die nicht aus dem Gelenk abfließen kann“, erklärt der Facharzt. Eine exakte Diagnose ist wichtig, denn: Sind Bakterien im Spiel, kann es zu einer gefährlichen eitrigen Entzündung kommen. Das Hinken wird dann begleitet von Fieber, Schüttelfrost und einem starken Krankheitsgefühl. „Ein kinderorthopädischer Notfall, bei dem wir schnell ein Antibiotikum geben oder sogar operieren müssen. Sonst zerstören die Bakterien das Hüftgelenk“, betont Dr. Fujak. → Wenn die Hüfte zwickt, schaue ich mir auch die Füße an, den Gang und die Beinachsen, die Wirbelsäule und natürlich die Hüftgelenke. PD Dr. Albert Fujak PD Dr. Albert Fujak ist seit über 20 Jahren in der universitären Orthopädie in Erlangen tätig; am Uniklinikum arbeitet er parallel auch in der Kinder- und Jugendklinik.

10 | Titel Für aussagekräftige Bilder wird der Ultraschallkopf in eine spezielle Führung eingesetzt. Die Tübinger Schiene am Modell. Ganz wichtig: Normalerweise wird sie unter der Kleidung getragen. Fortsetzung von S. 9 An das Seltene denken Er ist nicht häufig, aber möglich, meist um das fünfte Lebensjahr herum: der Morbus Perthes. Die Erkrankung, bei der Knochenzellen des Hüftkopfes infolge einer Mangeldurchblutung absterben, äußert sich anfangs wie ein Hüftschnupfen und sieht auch im Ultraschall so aus. Doch nach ein, zwei Monaten verändert sich der Hüftkopf – der Knochen wird weich und verformt sich. „Um ganz sicher zu sein, kommen wir um ein MRT nicht herum“, sagt Dr. Fujak. „Bei kleineren Kindern bedeutet das: Narkose. Denn sie würden im Kernspintomografen nicht ruhig liegen bleiben.“ Ist der Morbus Perthes diagnostiziert, gilt: Die Form des Hüftkopfes soll sich so wenig wie möglich verändern. „Je geringer die Deformität, desto niedriger das Risiko für eine spätere Arthrose“, erklärt der Kinderorthopäde. Die Behandlung dauert oft zwei Jahre und erfordert viel Disziplin von Kind und Eltern: kein Trampolinspringen, wenig laufen, nicht viel Treppen steigen; besser schwimmen, Rad fahren, für Entlastung sorgen und zur Physiotherapie gehen. „Das Kind soll sich schonen, aber auch seine Mobilität erhalten. Das ist nicht leicht, vor allem, weil es meist keine Schmerzen hat, dafür aber einen hohen Bewegungsdrang“, weiß Dr. Fujak. „Die Eltern müssen da konsequent sein, wenn sie ein gutes Behandlungsergebnis erreichen wollen.“ Manches bildet sich spontan zurück Bei Kindern und Jugendlichen begegnen Albert Fujak ebenso Sportverletzungen, Beinlängendifferenzen oder rheumatische Erkrankungen, sehr selten auch Knochentumoren. Viele orthopädische Auffälligkeiten bei Kindern werden zunächst einfach nur beobachtet und müssen überhaupt nicht therapiert werden. „Oft reichen orthopädische Hilfsmittel, Muskelkräftigung, Gangtraining und Physiotherapie völlig aus. Manche Probleme verschwinden bis zum Ende des Wachstums einfach von selbst“, beruhigt Dr. Fujak. „Unser Schwerpunkt liegt auf der Prophylaxe und der nicht-operativen Therapie. Nur in seltenen Fällen operieren wir.“ Einer dieser Fälle ist die juvenile Hüftkopflösung, kurz ECF: Manchmal gleitet mit beginnender Pubertät die Wachstumsfuge vom Hüftkopf ab. Im Bereich dieser knorpeligen Fuge wächst der Knochen in die Länge. Hormonelle Veränderungen während der Pubertät führen dazu, dass sich die Wachstumsfuge lockert. Jugendliche hinken dann und klagen über Schmerzen in Hüfte oder Knie. Manchmal können sie nicht mehr auftreten. „Wir stabilisieren die Hüftkopfkappe dann zum Beispiel mit Drähten und Schrauben, sodass sie nicht weiter abrutschen kann“, erklärt Dr. Fujak.

| 11 Titel „Ich habe ein Video gemacht, damit sie dranbleibt“ Sofort solle Bettina Heilinger* mit ihrer Tochter das Uniklinikum Erlangen aufsuchen, hieß es vom Kinderarzt – mit der Hüfte der kleinen Valentina* gebe es ein gravierendes Problem. Die Diagnose: einseitige Hüftdysplasie mit verschobenem Hüftkopf. „Der Oberschenkelknochen war schon halb aus der Hüftpfanne gerutscht“, erklärt die Mutter. Mit zwei Wochen bekam Valentina in der Erlanger Kinderorthopädie einen Fettweisgips angelegt, den sie zwei Monate lang tragen musste. „Die erste Zeit mit einem Neugeborenen kann man sich schöner vorstellen“, gesteht Bettina Heilinger. „Aber meine Mama hat zwei künstliche Hüftgelenke und ich habe gesagt: Wir machen alles, was Dr. Fujak empfiehlt.“ Wickeln war wegen des festen Verbands nicht möglich. Stattdessen legten die Eltern ihrer Tochter Wochenbettbinden in die Öffnung unten am Gips. Es folgten acht Wochen mit der Tübinger Schiene. „Gips und Orthese musste Valentina immer direkt auf der Haut tragen. Eine Freundin hat mir deshalb weite Pumphosen genäht, die wir darüberziehen konnten“, erklärt Bettina Heilinger. Die Eltern hielten die Vorgaben durch und wurden belohnt: Schon mit elf Monaten konnte Valentina laufen. „Ich wusste, dass meine Hebamme noch eine andere Mama betreut, die auch ein Baby mit Hüftdysplasie bekommen hat“, berichtet Bettina Heilinger. „Da- raufhin habe ich ein Video von Valentina gemacht, wie sie läuft, und es weitergeschickt – als Motivation, damit die andere Mama dranbleibt und weiß: Es lohnt sich.“ Regelmäßige Ultraschall- und Röntgenkontrollen bei der heute dreijährigen Valentina zeigten optimale Ergebnisse. Von der einstigen Fehlstellung ist nichts mehr zu sehen. *Name von der Redaktion geändert Dr. Fujak zeigt Valentinas Röntgenbild: Der Oberschenkelkopf sitzt nun sicher in der Gelenkpfanne. Valentina auf dem Schoß ihres Vaters beim Nachsorgetermin mit Kinderorthopäde Dr. Fujak. Kinderorthopädie am Uniklinikum Erlangen Der Bereich betreut Kinder und Jugendliche bis ins Erwachsenenalter hinein konservativ (ohne OP) und, wenn nötig, auch operativ. Behandelt werden alle Beschwerden des Bewegungsapparates – vom Hüftschnupfen über Fußfehlstellungen oder Wirbelsäulenverkrümmungen bis hin zu Spastiken und Lähmungen, denen neurologische oder neuromuskuläre Erkrankungen zugrunde liegen.

12 |Titel Hüftbeschwerden sind kein reines Rentnerthema – sie können auch junge Erwachsene treffen. „Vor allem Fußball, Eishockey, Joggen und Triathlon beanspruchen die Hüfte“, erklärt Dr. Stefan Söllner von der Unfallchirurgischen und Orthopädischen Klinik des Uniklinikums Erlangen. Als Mannschaftsarzt betreut er das Fußballbundesligateam der Spielvereinigung Greuther Fürth (s. S. 13) und die U17-, U19- und U23-Mannschaften des Nachwuchsleistungszentrums. Er spielt selbst Fußball, seit er vier Jahre alt ist. Support für die Amateure „In unserer Knie- und Hüftsprechstunde fühlen wir uns aber auch für Amateursportlerinnen und -sportler zuständig, die kein so großes medizinisches Team im Hintergrund haben wie die Profis“, betont Dr. Söllner. Die Erlanger UnfallchirurgieOrthopädie steht hierfür mit den jeweils behandelnden Physiotherapiepraxen in Kontakt. „Diese Telefonate sind oft zeitaufwendig, bringen aber ganz viel. Denn so können wir von Termin zu Termin entscheiden, was wir dem Patienten als Nächstes abverlangen können“, erläutert Stefan Söllner. Bei jüngeren Menschen sind häufig muskuläre Probleme und Sehnenansatzentzündungen für Hüftschmerzen verantwortlich. Im Fußball liegt die Ursache für Hüftbeschwerden oft in der einseitigen Belastung des starken Schussbeins. „50 Prozent der Profikicker brauchen deshalb irgendwann eine Hüftprothese“, berichtet Dr. Söllner. Doch die Sensibilität für Verletzungen sei im (Profi-)Sport heute höher. „Früher wurden die Spieler einfach fit gespritzt. Heute steht der Mensch mehr im Fokus und wir tragen die Verantwortung dafür, dass die Gesundheit geachtet wird.“ Grundsätzlich muss der Facharzt bei unspezifischen Hüftbeschwerden an vieles denken: Muskeldysbalance oder -verkürzung, Entzündung, Knorpelschaden, Leistenbruch, Beschwerden in Darm, Knie oder Lendenwirbelsäule und sogar an urologische und an Geschlechtskrankheiten. „Auch die Körperwahrnehmung ist sehr unterschiedlich“, erklärt Stefan Söllner. „Während ein Profi oft genau benennen kann, welcher Muskel schmerzt, sagt ein fränkischer Amateur vielleicht, dass ihm der Fuß wehtut – gemeint ist alles zwischen Zehenspitze und Bauchnabel.“ Für die Diagnostik nutzt die Erlanger Unfallchirurgie-Orthopädie u. a. die Ganganalyse auf dem Laufband: Ist das Becken beim Joggen nach vorn oder hinten gekippt? Wie ist die Wirbelsäule ausgerichtet? Welche Muskeln sind zu schwach ausgeprägt? „Einiges lässt sich eine Zeit lang kompensieren. Aber wenn die Muskeln müde sind, wird das Problem offensichtlich.“ Ultraschall-, Röntgen-, CT- und MRT-Bilder sichern die Diagnose. Gezielte Infiltrationen helfen bei der Ursachenforschung, denn: „Wenn nach einer lokalen Betäubungsspritze ins Gelenk oder in den Sehnenansatz die Schmerzen weg sind, wissen wir sicher, wo sie herkamen“, erläutert der Facharzt. Ist die Stelle gefunden, fördern u. a. Hyaluron, pflanzliche Wirkstoffe oder aufbereitetes Eigenblut die Heilung. Auch mit einer Arthroskopie (GeBis es wieder rundläuft HÜFTE UND SPORT Am Uniklinikum Erlangen werden nicht nur Profi-, sondern auch Hobbysportlerinnen und -sportler orthopädisch betreut. Gerade ihre Hüften müssen besonders viel aushalten. VON FRANZISKA MÄNNEL

| 13 Titel lenkspiegelung) können die Expertinnen und Experten des Uniklinikums Erlangen Hüftbeschwerden beseitigen (s. S. 14). Operationen sind nur selten nötig. Überaus sinnvoll: ein persönlicher Trainingsplan. „Ich turne meinen Patientinnen und Patienten alles vor“, beteuert Dr. Söllner lachend, „und mache die Übungen auch selbst zu Hause.“ In ein- oder zweiwöchigem Rhythmus wird dann in der Sprechstunde überprüft, ob die Aktiv-Hausaufgaben fruchten und alles wieder rundläuft. Profianalyse für Profisportler Mergim Mavraj, von 2011 bis 2014 und von 2019 bis 2021 Abwehrspieler der SpVgg Greuther Fürth, wird seit Jahren in der Erlanger Unfallchirurgie-Orthopädie betreut. Der 37-Jährige wurde mit einer Hüftdysplasie geboren, die jedoch erst im Jugendalter erkannt wurde. Immer wieder machten dem Fußballer seine Hüftgelenke und die umliegenden Strukturen Probleme – von den Oberschenkeladduktoren bis zum Iliosakralgelenk. „Mit guter Mobilisation, Kräftigung und Dehnung haben wir meine Hüfte zum Glück immer ohne OP wieder hinbekommen. Ich kam wöchentlich zur Kontrolle zu Dr. Söllner“, berichtet der Ex-Profi. Mit Fußball hat Mergim Mavraj mittlerweile aufgehört. Stattdessen hält er sich mit Kickboxen fit. „Bei einem Kick schwingt das Bein durch. Das lockert die Hüfte und ist für mich sehr wohltuend.“ Am Uniklinikum Erlangen bleibt er auch nach seinem Karriereende weiter in Behandlung. Übungen für mehr Kraft und Stabilität in den Beinen und in der Körpermitte: Hier versuchen Mergim Mavraj (l.) und Dr. Söllner das Bein 30 Sekunden lang im rechten Winkel oben zu halten – im Idealfall mit geschlossenen Augen. Ex-Fürth-Spieler Mergim Mavraj bei der professionellen Laufbandanalyse am Uniklinikum Erlangen. Weitere Übungen, die Mergim Mavraj absolviert hat, gibt es auf dem Instagram-Account des Uniklinikums Erlangen. Bei der Analyse wird ein Linienraster auf den Rücken projiziert, das eine Kamera aufnimmt und ein Computer in einen „3-D-Gipsabdruck“ der Wirbelsäule umrechnet. Zudem liefert das System detaillierte Informationen zu Körperhaltung und -statik.

Titel 14 | Mehr als jeder zehnte Erwachsene in Deutschland klagt über Schmerzen im Hüftgelenk: Knapp 12 Prozent der Männer und 13 Prozent der Frauen sind laut einer Befragung des Robert-Koch-Instituts mit knapp 8.000 Teilnehmenden betroffen. Die Ursachen der Beschwerden sind vielfältig: Sie reichen von Knochenformstörungen der Hüftpfanne oder des Hüftkopfs (sog. Impingements) über reibende Sehnen bei der „schnappenden Hüfte“ und lose Knochen- oder Knorpelstücke („freie Gelenkkörper“) bis hin zu Gelenklippen- oder Knorpelschäden und einer vollständigen Knorpelabnutzung (Arthrose). Doch die meisten krankhaften Veränderungen lassen sich ohne große Operation oder gar ein künstliches Gelenk beheben. Denn: Mithilfe einer Mini-Kamera und verschiedener feiner Instrumente können die Ärztinnen und Ärzte der Unfallchirurgischen und Orthopädischen Klinik des Uniklinikums Erlangen im Rahmen einer Ar- throskopie ins Gelenk blicken. Für den minimalinvasiven Eingriff sind nur wenige ca. einen Zentimeter kleine Schnitte nötig; freie Gelenkkörper oder knöcherne Vorsprünge, die die Bewegungsfreiheit der Betroffenen einschränken, können bei der Gelenkspiegelung gleich entfernt und eine eingerissene Gelenklippe kann genäht werden. Zuerst konservativ vorgehen „Wichtig ist jedoch, dass die Patientinnen und Patienten vor einer solchen Behandlung mindestens drei bis sechs Monate lang mit konservativen Methoden versucht haben, ihre Hüftbeschwerden in den Griff zu bekommen“, betont Prof. Dr. Marcel Betsch, der seit 2022 die Orthopädie der Erlanger Unfallchirurgie-Orthopädie leitet. Das heißt: Zuerst sollen die Anpassung von (sportlichen) Aktivitäten, Physiotherapie, die Kräftigung der gesamten Rumpf- und Beinmuskulatur und die Behandlung mit Schmerzmitteln die Symptome verbessern. Der Blick ins Gelenk ARTHROSKOPIE DER HÜFTE Ärztinnen und Ärzte sind mittels weniger kleiner Schnitte in der Lage, das Hüftgelenk zu untersuchen und eventuelle Schäden gleich zu beheben. VON ALESSA SAILER Prof. Dr. Marcel Betsch leitet seit August 2022 den Fachbereich Orthopädie innerhalb der Unfallchirurgischen und Orthopädischen Klinik des Uniklinikums Erlangen. Nach einer Arthroskopie bleiben Patientinnen und Patienten ein bis zwei Tage stationär im Krankenhaus. In den darauffolgenden ein bis zwei Wochen sollte die Hüfte mit Gehstützen teilentlastet werden.

| 15 Titel Arthroskopisch behandelbare Hüftdefekte ■ Impingement-Syndrome: Knöcherne Veränderungen der Hüftpfanne oder des Hüftkopfes führen zu Blockaden bei bestimmten Bewegungen. Überstehende Strukturen werden abgetragen. ■ Sog. freie Gelenkkörper in der Hüfte: Entfernung der losen Knorpel- bzw. Knochenstückchen ■ Schnappende Hüfte: Das Reiben bzw. Verrutschen der Sehnenstruktur wird vermindert. ■ Verletzungen bzw. Risse in der Gelenklippe (Labrum): Nähen oder Glätten des Defekts ■ Schwere Knorpeldefekte: Knorpelglättung, Mikrofrakturierung oder Knorpeltrans- plantation „Erst wenn die Beschwerden und Röntgen- oder Kernspinaufnahmen zusammenpassen, ziehen wir eine Arthroskopie in Betracht“, sagt Prof. Betsch. Bei der Gelenkspiegelung erhält die Patientin bzw. der Patient eine Vollnarkose – damit ist die Muskulatur im Gegensatz zu einer örtlichen Betäubung komplett entspannt. „Das ist wichtig, weil wir den Hüftkopf ein wenig aus seiner Pfanne herausziehen müssen, um in dem sehr kleinen Gelenkraum überhaupt operieren zu können“, erklärt Marcel Betsch. Die Spiegelung dauert etwa ein bis zwei Stunden, je nachdem, welchen Hüftdefekt die Ärztinnen und Ärzte korrigieren. Prof. Betsch veranschaulicht das Vorgehen anhand einer jungen Patientin mit Subspine-Impingement – bei ihr schlug der Hüftkopf an einem knöchernen Vorsprung am Becken an, wenn sie das Bein hob. „Über zwei kleine Schnitte führten wir zunächst die Instrumente ein und machten uns anschließend ein konkretes Bild vom überflüssigen Knochenvorsprung. Diesen trugen wir dann unter Röntgenkontrolle ab.“ Meist stünden bei Impingements lediglich wenige Millimeter Knochen über – doch das reiche bereits, um erhebliche Schmerzen auszulösen. Die Vorteile der minimalinvasiven Gelenkspiegelung: Dank der kleinen Zugänge bleiben kaum Narben und die Wundheilung geht deutlich schneller als bei einer offenen OP. Knorpeltransplantation möglich Bei Schäden des Hüftknorpels kann unter Umständen eine Transplantation von intakten Knorpelzellen sinnvoll sein. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. „Eine ist, dass wir am Knie Knorpelzellen entnehmen, sie im Labor in ein spezielles Gel geben, vermehren und in die Hüfte einbringen“, so Marcel Betsch. „Wir können den Hüftknochen aber beispielsweise auch durch feine Bohrlöcher öffnen, damit der Körper durch die einströmenden Stammzellen neues Knorpelgewebe bildet. Das Verfahren nennt sich Mikrofrakturierung.“ Doch nicht alle Hüftdefekte sind arthroskopisch behandelbar: Größere Fehlbildungen, sogenannte Dysplasien, werden in der Regel offen operiert. Bei bereits fortgeschrittenem Hüftverschleiß kann es unter Umständen auch notwendig sein, ein künstliches Hüftgelenk zu implantieren. Prof. Betsch: „Auf Basis des Beschwerdebildes und der radiologischen Untersuchungen beraten wir die Patientinnen und Patienten intensiv, welche Therapie für sie die richtige ist und wie sich diese konkret umsetzen lässt.“ Die Hüfte ist das zweitgrößte Gelenk des menschlichen Körpers – nur das Knie ist größer.

16 | Titel KÜNSTLICHE HÜFTE Für Menschen mit schlimmen Hüftbeschwerden kommt unter Umständen ein künstlicher Gelenkersatz infrage. In besonderen Fällen wird die Prothese sogar individuell angefertigt. VON ALESSA SAILER Wer starke Anlaufschmerzen hat oder in der Bewegung der Hüfte eingeschränkt ist, fragt sich: Gehen diese Beschwerden wieder weg? Kann ich selbst etwas dafür tun, um meine Lebensqualität zurückzubekommen oder brauche ich wirklich ein neues Hüftgelenk? Prof. Dr. Marcel Betsch, Leiter der Orthopädie der Unfallchirurgischen und Orthopädischen Klinik des Uniklinikums Erlangen, erklärt: „Neben Knochenvorsprüngen, an denen Hüftpfanne oder Hüftkopf anstoßen, oder Rissen in der Gelenklippe kann auch Arthrose hinter solchen Symptomen stecken – der Knorpel im Hüftgelenk ist dann stark abgenutzt. Das führt dazu, dass Betroffene zum Beispiel nicht mehr weit gehen können und teilweise sogar nachts von ihren Hüftschmerzen aufwachen.“ Während Knochenvorsprünge, reibende Sehnen und verletzte Gelenklippen mittels minimalinvasiver Gelenkspiegelung (s. S. 14) behandelt werden, hilft bei fortgeschrittener Arthrose oft nur noch ein künstliches Gelenk. „Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Patientin oder der Patient Hüfte hoch drei schon alle konservativen Therapien ausgereizt hat“, sagt Prof. Betsch. Verringern sich die Beschwerden also z. B. mit Schmerzmitteln und einer gekräftigten Bein- und Rumpfmuskulatur nicht genügend, kommt eine Prothese infrage. „Wichtig ist uns: Der Patient gibt vor, ob ein neues Gelenk eine Option ist. Wir behandeln nie allein auf Basis der Bildgebung – schließlich operieren wir nicht die Röntgenaufnahme, sondern den Menschen.“ Etwa 15 bis 20 Jahre hält eine Hüftendoprothese (gr. „endos“ = innen → innenliegende Prothese). Das Implantat besteht aus einer Gelenkpfanne und einem sog. Inlay sowie einem Schaft, der im Oberschenkelknochen verankert bzw. zementiert wird (s. Abb.). „Vor allem bei jüngeren Patienten ziehen wir die zementlose Verankerung vor, weil wir so Knochen ‚sparen‘, der bei einem eventuellen Prothesenwechsel benötigt wird. Der Schaft verwächst durch seine raue Oberfläche mit dem körpereigenen Knochengewebe“, erläutert Marcel Betsch. „Bei älteren oder von Osteoporose betroffenen Menschen setzen wir dagegen in der Regel auf einen zementierten Schaft, weil dadurch weniger Druck auf den Knochen ausgeübt wird und die Gefahr eines Bruchs niedriger ist.“ Direkter positiver Einfluss Die Prothesenkomponenten können aus unterschiedlichen Materialien bestehen, etwa aus Kunststoff, Keramik oder Metall, beispielsweise Titan. „Welche wir wählen, hängt vom Gewicht, vom AktiWir operieren nicht das Röntgenbild, sondern den Menschen. Prof. Dr. Marcel Betsch

| 17 Titel vitätsniveau und vom Alter der Patientin oder des Patienten ab“, so Prof. Betsch. Angst vor starken Abrieben, die wiederum Probleme bereiten, seien aber unbegründet. „Alle eingesetzten Bestandteile wurden sorgfältig getestet und für eine Implantation zertifiziert. Außerdem ist das Einsetzen einer Hüftendoprothese eine der erfolgreichsten Operationen überhaupt: Kaum eine OP hat direkt so viel positiven Einfluss auf die Lebensqualität.“ Bereits am Tag des Eingriffs dürfen die Patientinnen bzw. Patienten aufstehen und das Gelenk belasten. Beim Laufen helfen Unterarmgehstützen. Etwa fünf bis sechs Tage bleiben Menschen mit einem neuen Hüftgelenk auf Station. Anschließend steht noch eine Reha an, bei der sie ihre Hüfte weiter mobilisieren und stabilisieren. Doch bereits vor der OP können Patientinnen und Patienten etwas für den Heilungsverlauf danach tun: mit der Präha (s. Kasten), dem Gegenstück der Reha. Prof. Betsch erklärt: „Wer perfekt für die OP gerüstet ist, kommt deutlich schneller wieder auf die Beine. Wir empfehlen beispielsweise Diabetikern, ihren Zucker im Vorfeld optimal einstellen zu lassen. Außerdem sollte auf eine ausgewogene und gesunde Ernährung geachtet und die Muskulatur gestärkt werden – etwa im Rahmen von Physiotherapie oder einem eigenständigen Training. Auch das Laufen an Gehstützen kann man vorher üben.“ → Das Einsetzen einer Hüftendoprothese ist eine der erfolgreichsten Operationen überhaupt: Kaum eine OP hat direkt so viel positiven Einfluss auf die Lebensqualität. Prof. Dr. Marcel Betsch Fit für die OP Bei der Prähabilitation („präoperativ“ + „Rehabilitation“) wird der Körper vor der OP gestärkt, um sich hinterher schneller zu erholen. Dabei spielt neben dem Aufbau von Kraft, Beweglichkeit und Ausdauer auch das Training des Immunsystems und der Lungenfunktion eine Rolle. Prothesenschaft Hüftkopf Inlay Gelenkpfanne

18 |Titel für schwere Defekte wie bei Kerstin Claßen findet das Team eine passende Lösung. Individuell angefertigt Die 64-jährige Patientin ist heute zur Nachsorge am Uniklinikum Erlangen, denn vor sechs Wochen wurde ihr eine individuell angefertigte Vollprothese eingesetzt. „Ein ‚Standardgelenk‘ wäre nicht kompatibel gewesen, weil die Vorgeschichte der Patientin weit zurückreicht“, sagt Prof. Betsch. Das Hüftleiden von Kerstin Claßen begann bereits vor Jahrzehnten, ausgelöst durch einen Unfall: „Als Mädchen fiel ich beim Schlafwandeln aus dem ersten Stock, weil es bei meiner Oma keine abgeschlossenen Fenster gab. Ich brach mir den linken Oberschenkelhals. Jahre später bekam ich eine HüftkopfFortsetzung von S. 17 Wenn’s wieder raus muss Falls sich das künstliche Gelenk nach Jahren der Aktivität aufgrund von Verschleiß oder einer Infektion lockert, schafft das Team der Erlanger Orthopädie Abhilfe: Bei sogenannten Revisionen nehmen die Ärztinnen und Ärzte die Prothese teilweise oder ganz wieder heraus und ersetzen sie. „Die Ursache für einen bakteriellen Infekt einer Prothese kann eine Entzündung an einer anderen Stelle im Körper sein “, merkt Marcel Betsch an. „So können Keime beispielsweise nach einer Zahnbehandlung oder einer Darmspiegelung in die Blutbahn verschleppt werden und sich so auf die Prothesenoberfläche setzen.“ Egal, ob lockere, entzündete oder schlicht abgenutzte künstliche Hüften erneuert werden müssen: Die Erlanger Unfallchirurgie-Orthopädie ist für alles gerüstet – auch Prof. Betsch zeigt Kerstin Claßen das 3-D-Modell ihrer Hüfte und ihres speziell für sie gefertigten Implantats.

| 19 Titel Sprechstunde für Orthopädie Telefon: 09131 85-33272 www.uker.de/uc-ortho-sprechstunde Bürgervorlesung von Prof. Betsch „Künstliche Gelenke: Neues aus der Endoprothetik“ am 24.07.2023 ab 18.15 Uhr in den Hörsälen Medizin (Ulmenweg 18 in Erlangen) bzw. eine Woche später online abrufbar: www.forschungsstiftung.uk-erlangen.de nekrose.“ Der Knochen starb also ab, sodass Kerstin Claßen 1988 in Erlangen ihre erste Hüftprothese erhielt. „Damals war das noch etwas ganz Neues. Der Chirurg klärte mich darüber auf, dass man über die Haltbarkeit des Materials noch nicht viel wisse und ich möglicherweise in zehn Jahren im Rollstuhl sitzen müsse. Ich war aber immer optimistisch, denn ich wollte ja mit meiner kleinen Tochter toben. Deshalb entschied ich mich für das künstliche Gelenk.“ 2006 wurde das Implantat gewechselt, weil es nach 18 Jahren schlichtweg abgenutzt war; im September 2022 musste die Endoprothese abermals herausgenommen werden, weil sich die Zementierung gelöst hatte. „Dazu kam, dass ich mir kurz vor der OP mein Becken gebrochen hatte“, berichtet Kerstin Claßen. „Ich hatte vor jedem neuen Gelenk Die eigene Hüfte in der Hand: Das Prothesenstück (r.) passt in die Hüftpfanne (l. außen). furchtbare Schmerzen und konnte kaum mehr laufen. Es war einfach unerträglich.“ Weil das Becken der Patientin durch den Bruch und die lockere Prothese dermaßen vorgeschädigt war, blieb sie zunächst ohne neues Hüftgelenk – abhängig vom Rollstuhl und auf Pflege angewiesen. Im März 2023 wurde Kerstin Claßen schließlich die extra für sie hergestellte Prothese eingesetzt. „Anhand der Computertomografie-Aufnahme erstellt die Firma, mit der wir kooperieren, ein Computermodell der Hüfte und der benötigten Prothese“, erklärt Prof. Betsch. Halten er und sein Team die Simulation für medizinisch sinnvoll, wird – basierend auf der Anatomie der Patientin bzw. des Patienten – eine individuelle Hüftprothese angefertigt. Nun, einige Wochen nach der OP, beginnt Kerstin Claßen damit, ihre neue Hüfte wieder normal zu belasten. Zur Sicherheit unterstützt sie noch ein Rollator. „Ich freue mich darauf, bald wieder längere Strecken mit meinem Hund laufen zu können, so wie früher“, strahlt die Patientin.

Saubere Sache Reportage 20 | Seit neun Jahren arbeitet Hazal Ersoy am Uniklinikum Erlangen. Auf die Tätigkeit als Sterilisationsassistentin kam die gelernte Bürokauffrau über ihre Mutter, die im OP arbeitet. Hazal Ersoy hat alle Fachkundekurse belegt, die rechtlich vorgeschrieben sind, um die wichtigen und verantwortungsvollen Aufgaben in der AEMP gemäß der ISO-Norm zu erledigen.

Hygiene ist das A und O im Krankenhaus. Von der sterilen Schere für den Verbandswechsel auf Station bis hin zu Klemmen, Haken und Schrauben zur Operation nach einem Unfall – in der Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte (AEMP) im Chirurgischen Zentrum des Uniklinikums Erlangen sorgen pro Schicht fünf bis sechs Mitarbeitende dafür, dass chirurgische Instrumente nach ihrer Benutzung vorgereinigt, desinfiziert, überprüft, sortiert, verpackt, sterilisiert und kommissioniert werden. Hazal Ersoy nimmt die Redaktion von „Gesundheit erlangen“ heute für einen Vormittag mit in die AEMP, die im dritten Stock direkt neben dem OP-Bereich liegt. Die Objektleiterin trägt einen blauen Kasack mit passender Hose und eine lila Haube. Sobald sie den „unreinen Bereich“ betritt, in dem sie die benutzten Instrumente entgegennimmt, zieht sie sich rote Gummischuhe, einen gelben, wasserdichten Kittel, einen Mundschutz mit integriertem Visier und lange violette Handschuhe an. „Das ist meine persönliche Schutzausrüstung. Damit verhindere ich den Kontakt mit kontaminiertem Material und möglichen Spritzern“, erklärt Hazal Ersoy, während sie den ersten Metallwagen entgegennimmt, den das OP-Personal gerade hereinrollt. Er ist beladen mit Containern, die aussehen wie übergroße Geldkassetten mit Henkeln. Die Sterilisationsassistentin öffnet einen der Behälter und entnimmt ein Sieb voller OP-Besteck. „Als Erstes kontrolliere ich, wie verschmutzt die Instrumente sind“, sagt sie mit einem prüfenden Blick. „Jetzt verteile ich alles gleichmäßig, damit das Besteck überall sauber wird, und kennzeichne zusammengehörige Sets“, sagt Hazal Ersoy. Sie lässt → | 21 Reportage 4 Stunden … dauert es, bis das Material, das direkt aus dem OP kommt, wieder steril und bereit für seinen nächsten Einsatz ist. Manche Teile, etwa Hohlraumwerkzeuge und besonders verunreinigte Instrumente, werden im Ultraschallbad vorbehandelt. STERILGUTAUFBEREITUNG Damit im OP stets mit sauberen Instrumenten gearbeitet werden kann, gibt es einen aufwendigen und akribisch dokumentierten Prozess. Ein Besuch in der zentralen Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte des Uniklinikums Erlangen. VON ALESSA SAILER

22 | Reportage Fortsetzung von S. 21 das Sieb im Ultraschallbad abtauchen, um die gröbsten Verunreinigungen zu lösen, und steckt rote Kunststoffmarkierungen an weitere Behälter. Die vorgesäuberten Siebe stellt die 29-Jährige nach der manuellen Vorreinigung auf einen zweiten Wagen, den sie gleich in eine Art Spülmaschine schieben wird, sobald er voll ist. Reinigen und desinfizieren „Die Dokumentation ist bei uns extrem wichtig“, betont Hazal Ersoy, während sie nach dem Handscanner greift und wie an der Supermarktkasse – piep, piep, piep – die Barcodes an den Sieben einliest und auf dem Bildschirm die Bezeichnung der Sets überprüft. „Damit stellen wir sicher, dass alle Reinigungsschritte ordnungsgemäß durchgeführt werden und jedes Instrument im richtigen Sieb und an der korrekten Stelle landet.“ Die Objektleiterin drückt einen Knopf am RDG, dem Reinigungs- und Desinfektionsgerät, und dessen Glastür fährt langsam nach oben. Hazal Ersoy schiebt den Wagen hinein und startet das Programm. Eine Stunde und sieben Minuten kündigt das RDG die Dauer an, als die ersten Spülgeräusche zu hören sind und das Wasser wie in einer Autowaschanlage an der Scheibe herunterläuft. „Das Programm spült vor, reinigt mit einem speziellen Mittel und desinfiziert anschließend die Instrumente. Dabei erreicht das Gerät Temperaturen von 93 Grad“, erklärt Hazal Ersoy die Prozedur. Sie greift nach einem Desinfektionstuch und säubert den Wagen, auf dem die unreinen Materialien aus dem OP kamen, und die Metallcontainer gründlich, sodass die sterilisierten Instrumente später wieder damit transportiert werden können. Prüfen, sortieren, verpacken Hazal Ersoy nimmt Handschuhe, Kittel und Maske ab, tauscht die roten gegen gelbe Gummischuhe und wechselt zur nächsten Station: zum Packbereich. Sie streift sich einen Silikonhandschuh über, der einem Ofenhandschuh aus der Küche ähnelt, und zieht den noch heißen Instrumentenwagen mit den sauberen Sieben aus dem RDG. Nun kommt wieder ein Handscanner zum Einsatz: Hazal Ersoy überprüft, ob beim Reinigungsablauf alles O. K. war Desinfektion und Sterilisation Während die Desinfektion v. a. krankmachende Keime reduziert und so deren Weiterverbreitung unterbindet, werden beim Sterilisieren alle Mikroorganismen, also auch nicht-krankmachende Keime und ihre Sporen, vollständig eliminiert. Die Siebe landen nach der Vorreinigung nebeneinander auf einem Rollwagen, der anschließend in das Reinigungs- und Desinfektionsgerät geschoben wird.

| 23 Reportage 15.993 … unterschiedliche wiederaufbereitbare Medizinprodukte sind am Uniklinikum Erlangen im Umlauf – diese sind wiederum in mehrfacher Ausführung vorhanden, je nach Teil Dutzende oder Hunderte Male. Einmal Barcode zeigen, bitte! Die Dokumentation ist ein wichtiger Bestandteil des Aufbereitungsprozesses: Fünf Jahre lang kann so nachvollzogen werden, welches Instrument wann von wem bei welcher OP benutzt und wie es wieder gereinigt wurde. und die gewünschten Temperaturen erreicht wurden. „Erst dann gebe ich die Reinigungs-Charge frei. Passt etwas nicht, muss der Wagen den Reinigungsprozess noch einmal durchlaufen.“ Da alles geklappt hat, räumt die Sterilisationsassistentin die Siebe in hohe Rollwagen ab. „Dabei achte ich wieder auf zusammengehörige Sets und ordne sie nach OP-Bereich“, sagt sie und deutet exemplarisch auf einen Wagen für die Unfallchirurgie-Orthopädie und die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und einen für die Gefäß- und die Herzchirurgie. Als Nächstes packt Hazal Ersoy ein „Knochensieb“: „Quasi ein Standardbesteck in der Unfallchirurgie – da sind ja in der Regel Knochen beteiligt, daher der Name.“ Anhand der Siebpackliste am Bildschirm überprüft sie genau, ob die einzelnen In- strumente in der nötigen Anzahl vorhanden sind. Klack, klack, klack – mit geübter Hand sortiert Hazal Ersoy die Klemmen und Scheren, die für das Laienauge bis auf die gold- und silberfarbenen Griffe alle gleich aussehen, in zehn Haufen, zählt jeden einzelnen durch, überprüft Funktionsfähigkeit sowie Sauberkeit jedes Teils und ölt hier und da ein schwergängiges Scharnier. Ihr Blick schnellt zwischen den Instrumenten und der Liste auf dem Monitor hin und her. Zehn Tuchklemmen stumpf, 150 mm lang, vier Peanklemmen gebogen, 160 mm, zwei Moskitoklemmchen gerundet, 125 mm. Dazu kommen 70 weitere Teile wie Kornzangen und Nadelhalter. Wie viele verschiedene Arten von chirurgischen Instrumenten es wohl gibt? Fünfhundert? Tausend? „Das reicht bei Weitem nicht“, lächelt Hazal Ersoy und deutet auf den Bildschirm. „Es gibt zu jeder Bezeichnung ein passendes Bild, falls man mal unsicher ist.“ Anhand der Packliste sortiert sie das Besteck anschließend fein säuberlich ins Sieb, denn jedes Teil hat seinen festen Platz, damit die Operateurin oder der Operateur das gewünschte Werkzeug im Notfall auch „blind“ findet. →

24 | Reportage Hazal Ersoy gleicht die Art und die Anzahl der Instrumente mit den Vorgaben im System ab. Alle 88 Teile des Siebs überprüft sie auf Funktionsfähigkeit. Muss ein Teil repariert oder aussortiert werden, wird das im System hinterlegt und der OP informiert. Fast geschafft: Ab in die Dampfsterilisation bei 134 °C. Fortsetzung von S. 23 Doppelt eingetütet Zwei Meter weiter raschelt es: Hier wandern Einzelinstrumente wie Scheren, Spülflaschen und Klemmen in Verpackungen aus zartblauem Papier und Folie. Diese schiebt Hazal Ersoy dann durch ein Gerät, das aussieht wie ein Laminierer und den Inhalt verschweißt. Anschließend kommt das In- strument in eine zweite Tüte, die abermals verschlossen wird. „Nur so können wir eine aseptische Entnahme garantieren, bei der kein einziger Keim mit dem Patienten in Berührung kommt“, erläutert die Objektleiterin und schiebt einen mit Sieb-Containern und Folientüten beladenen Rollwagen zum Sterilisationsgerät. „Wir benutzen hier ein fraktioniertes Vakuumverfahren zum Sterilisieren. Das Gerät arbeitet dafür mit Unterdruck und Dampfstößen, die 134 Grad heiß sind“, fügt Hazal Ersoy an, während sie zum vierten Mal an diesem Vormittag zum Handscanner greift und Sieb für Sieb, Tüte für Tüte die Strichcodes einliest. Piep, piep, piep. Hinter dem Wagen schließt sich die stählerne Tür des Sterilisators, der mehrfach die vorhandene Luft absaugt, heißen Wasserdampf generiert und schließlich alle Instrumente trocknet. Im Sterilgutlager Die Objektleiterin geht weiter in den dritten und letzten Bereich der Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte: „Im Sterilgutlager schaue ich noch mal auf die Dokumentation und gebe das Material frei, sofern alles passt“, erklärt Hazal Ersoy. Sie öffnet einen der deckenhohen Schränke, die voll sind Nachhaltigkeit zählt Am Uniklinikum Erlangen werden kaum Einmalbestecke verwendet, sondern i. d. R. hochwertige Metallinstrumente, die sich wiederaufbereiten lassen. Bei schwer zu reinigenden Teilen wie engen Spülkanülen wird dagegen aus Hygienegründen auf Einmalprodukte gesetzt.

| 25 Fertig – Sterilisationsassistentin Hazal Ersoy zeigt einen Schrank im Sterilgutlager. Von dort kann das OP-Personal von nebenan bei Bedarf einzelne Instrumente holen, wenn z. B. eine Schere während eines Eingriffs auf den Boden gefallen ist. Reportage Anzeige Video: Sterilgutaufbereitung am Uniklinikum Erlangen www.gesundheit-erlangen.com Zwei Standorte Die AEMP ist für das gesamte Chirurgische Zentrum, die Strahlenklinik und die Frauen- klinik zuständig. Außerdem gibt es noch eine Sterilgutaufbereitung in den Kopfkliniken, die sich um die Instrumente aus Neurochirurgie, Augenklinik, Hautklinik, HNO-Klinik und deren Stationen kümmert. mit sterilen Folientüten und Sieben. Alles hat seine klare Ordnung, damit OP-Pflegekräfte selbstständig spontan benötigte Instrumente mit in einen der Operationssäle nehmen können, die hinter der metallenen Automatiktür liegen. In drei gekennzeichneten Schränken stehen außerdem immer Notfallwagen für allgemeinchirurgische, (kinder-)herzchirurgische und gefäßchirurgische Notfälle parat. Die Sterilisationsassistentin deutet auf eine Tafel neben der Automatiktür. „Dort bestellt der OP die benötigten Instrumente.“ Je nach Eingriff können das „Tumorsiebe“, „Grundsiebe“, „Knochensiebe“ und viele mehr sein. „Wir stellen ihnen das Material entsprechend zusammen. Mit speziellen Wagen werden die Instrumente dann zum Einsatzort im OP gebracht“, sagt Hazal Ersoy. So schließt sich der Kreis, bis Instrumente, Schüsseln und Spülfläschchen nach ihrer Benutzung erneut in der Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte landen.

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